Am 19. November kam der Autor und Literaturkenner Renatus Deckert an unsere Schule. In einem bewegenden Vortrag las er aus den Tagebüchern des jüdischen Professors Victor Klemperer, der in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt hat.
In seinen Einträgen beschreibt Klemperer nicht nur seinen Alltag in einem „Judenhaus” und auf freier Straße, sondern auch die schleichende Veränderung der Gesellschaft durch die NS-Propaganda. Doch auch von kleinen Momenten des Widerstands und der Menschlichkeit schreibt er, wie von der Begegnung mit einer Frau, die ihm auf der Straße die Hand schüttelte. Für Klemperer war dies ein tief bewegender Moment, der inmitten der Grausamkeiten und Erniedrigungen, einen kleinen Funken von Hoffnung und Solidarität zeigte.
Kurz vor Ende des Krieges sollte sich alles für Victor Klemperer wenden: die letzten verbliebenen Juden in Dresden sollten deportiert werden und er war einer von ihnen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar zerstörte dann ein Bombenangriff die Stadt und es gelang Klemperer und seiner Frau Eva in dem Chaos zu fliehen. In dem bewegenden Moment seiner Flucht berichtet Klemperer, wie er seinen gelben Judenstern abgerissen bekam, ein symbolischer und bewegender Akt der Befreiung und ein Wendepunkt in Klemperers Geschichte für seine Freiheit und Würde.
Am Ende des Vortrages wurde die Schülerschaft dazu angehalten, Fragen zu stellen. Ein Schüler wollte wissen: „Wie kann es sein, dass es die Tagebücher gibt, wenn alles zerbombt wurde?” Darauf antwortete Renatus Deckert, dass Klemperer in ständiger Gefahr lebte, aufzufliegen dadurch drohte, dass auch die Tagebücher gefunden werden. Das war zu der Zeit nämlich strengstens verboten. Doch er ließ sich nicht davon abhalten und schrieb trotzdem weiter. Seine Frau soll die Bücher zu Anne-Marie Köller, einer Bekannten der beiden, gebracht haben, welche die Bücher bei sich in der Arztpraxis versteckt hielt.
Mit seinen Tagebüchern wollte Victor Klemperer zeigen, wie es wirklich ist, aber sie halfen ihm auch durch die schweren Zeiten und seine Angst. Sie gaben ihm einen Grund weiterzukämpfen und „retteten ihm sein Leben”.
Der Vortrag von Herrn Deckert war sehr eindrucksvoll und bewegend. Seine Vortragsart war ruhig, aber eindringlich, als würde man gerade einen Podcast hören. Besonders beeindruckend war, wie er Zitate aus Klemperers Tagebüchern in den Vortrag einbaute. Er las sie mit einer solchen Intensität vor, dass die ganze Aula gebannt zuhörte.
Wir danken Herrn Deckert für seinen spannenden Vortrag, der uns gezeigt hat, wie wichtig es ist, die Vergangenheit nicht zu vergessen und aus ihr zu lernen. Wie wichtig es ist, nicht einfach wegzuschauen, wenn Ungerechtigkeit passiert und dass wir alle Verantwortung dafür tragen, füreinander einzustehen.
Ida, 12. Jahrgang